...aus Mike Davis' Buch "City of Quarz" - einer geschichtlichen und sozialen Analyse von Los Angeles

Das revolutionäre Lumpenproletariat

"Wenn wir uns heute über apathische junge schwarze Menschen auf Drogen beklagen, liegt das daran, dass wir uns in den 60er lahren nìcht genügend vor die Black Panthers gestellt und uns auf sie bezogen haben."

Sonya Sanchez



Hier muß etwas zur Geschichte der schwarzen Straßengangs in L.A. gesagt werden.
In den 40er Jahren, als zehntausende von eingewanderten schwarzen Kriegsarbeitern aus dem Südosten sich in den überfüllten und segregierten Behausungen von Bronzeville (Little Tokyo) und Central Avenue drängten, waren Gangs eine ganz natürliche Selbstverteidigung der Community gegen rassistische Angriffe, wie den Angriffen von weißen GIs 1943.
Gleichzeitig waren sie lebensnotwendige Bestätigungen der Zoot Suit und Be Bop-Gegenkultur, wie Chester Himes sie aufzeichnete. Später, in den 50er und frühen 60er Jahren, als sich die Spannungen, die zum Aufstand von Watts führten, unausweichlich anstauten, weitete sich die Funktion der Gangs, wie des Ghettos selbst, aus: "coole Welten" städtischer Sozialisation für arme junge Neuankömmlinge aus den ländlichen Gebieten von Texas, Louisiana und Mississippi.
Als es im Sommer 1965 überkochte, als die ganze Community gegen unerträgliche Polizeischikanen und systematische Diskriminierung auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt explodierte, waren mehrere Gangs zu protopolitischen, paramilitärischen Organisationen mit beträchtlichem Charisma geworden.
Veteranen der Bürgerrechtsbewegung in L.A. können sich an einen denkwürdigen Vorfall erinnern, als während eines Protests in einem örtlichen Drive-In-Restaurant "nur für Weiße" die plötzliche Ankunft von schwarzen Gang-Mitgliedern sie davor bewahrte, von weißen Autofreaks übel zugerichtet zu werden. Die Gang waren die legendären Slausons, und sie wurden zu einem wesentlichen Rekrutierungsnetz für den Aufstieg der Black Panther Party in Los Angeles Ende der 60er Jahre. Alprentice "Bunchy"Carter und Jon Huggins, die örtlichen Panther-Führer, die 1969 auf dem Campus der UCLA ermordet wurden, waren beide ehemaIige Slausons, "Bunchy" war in der Tat ein berühmter "Warlord" gewesen.
Elmer "Geronimo"Pratt, der Panther-Führer, der aufgrund einer berüchtigten Konstruktion immer noch in San Quentin sitzt, lief auch in den Gangs von L.A. mit, bevor er sich freiwillig zu den Fallschirmjägern meldete und in Vietnam diente. Daher ist es eigentlich nicht überraschend, daß sie die Black-Power-Theoretíker in den späten 60er Jahren die wild angezogenen, harten Straßen-Brothers die in einer außergewöhnlichen Woche 1965 die "Pigs" tatsächlich aus der Community vertrieben hatten - als strategische Reserve der schwarzen Befreiung, wenn nicht gar als ihre Avantgarde vorstellen konnten.


MEHR ZUM THEMA LUMPENPROLETARIAT